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Hafermagazin Landau 1998

Gedanken zur Installation `Kreislauf´im Hafermagazin Landau 

Susanne Wadles Installation nimmt direkten Bezug auf die Nutzung des Gebäudes als ehemalige Lagerstätte für Futterhafer. Damals waren 3000 Tonnen Hafer in den Hallen eingelagert, die 1000fache Menge der hier verwendeten. Zwischen den starr aufragenden Stahlbetonträgern der Geschoßkonstruktion zeigt sich ein rundes Areal mitkniehohen Mauern aus lose aufeinandergeschichteten Handformziegeln. Ihr warmer Rotton lässt sie sofort als Fremdkörper zwischen den weißgekalkten Betonwänden erscheinen. Man glaubt, Zeuge einer Ausgrabung zu sein, bei der man Fundamente einer archaischen Kultstätte gefunden hat. Bei näherem Herangehen erschließt sich eine inselartige Kunstlandschaft, ein hortus conclusus.

Innerhalb eines äußeren amorphen Mauerrings befinden sich 4 kleinere kernförmige steinumringte Bezirke mit jeweils einem Wasserbecken. Die 4 Wasserreservoire umschließen das Zentrum der Anlage. Sie bilden die Herzkammer des Ganzen. Die inneren Bezirke sind gefüllt mit Erde, dem Nährboden für keimfähigen Hafer, der aus den Reservoiren berieselt wird. Zwischen den inneren Kammern und der äußeren Umgrenzung entstehen Wege die mit Futterhafer bedeckt sind. 

Die Szenerie erinnert an einen lupenhaft vergrößerten Schnitt durch eine Zelle oder den Stengel einer Pflanze. Die Steine fungieren als Membranen zwischen den Zellkammern, die wie mit unterschiedlich gearteten Flüssigkeiten gefüllt scheinen. Tatsächlich mutet der Hafer an wie eine Flüssigkeit die sich in den Kanälen der Zelle ergießt. War es in der ursprünglichen Funktion des Gebäudes oberstes Gebot Licht und Wasser vom gelagerten Futterhafer fernzuhalten, so soll bei dieser Installation das Getreide während der folgenden Wochen keimen und wachsen. Nicht Stillstand und Konservierung, sondern Entwicklung und Veränderung sind das Ziel.

 

Die in der Installation mit geschickter Dramaturgie eingesetzten Elemente Erde, Wasser, Licht und Luft beleben die tote Architektur. Die Kreisform der Installationsinsel erinnert an eine Keimzelle als Urform allen Lebens. Sie nimmt dem kahlen Raum sein Unwirtlichkeit und ergreift von ihm Besitz.

Es ist ein Anliegen der Künstlerin `ìhre´Materie erlebbar zu machen, indem sie die Besucher auffordert die Keimzelle zu betreten und mit bloßen Füßen die Eigenart des Hafers `hautnah´zu begreifen. Läßt man sich darauf ein, erlebt man sich dabei längst vergessene und begrabene Instinkte zu entdecken, wie ein Archäologe an Leib und Seele.

So steht neben dem selbstätigen, kalkulierbaren Prozess des Wachsens der eigendynamische, nicht vorhersehbare Prozess der Kommunikation unter den Besuchern beim Durchschreiten des Hafers. In ihrem Tun wird die Künstlerin zum Katalysator eines erlebnis- und Lebensprozesses und zur Dramaturgin des Raums.

Am Beginn des Wachstumsprozesses steht eine Performance mit dem Verstreuen und Verteilen der Haferkörner. Ihr Ablauf wird mit Ton- Filmaufnahmen dokumentiert und soll über Monitore am Rande des Areals gezeigt werden, sodass der Betrachter auch an vergangenen Phasen der Entstehung teilhaben kann.

 

Ingrid Bürgy de Ruijter

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